
Die analoge Fotografie erlebt seit einigen Jahren ein bemerkenswertes Comeback. Während Smartphones und digitale Spiegelreflexkameras unseren Alltag dominieren, gibt es eine wachsende Community von Fotografinnen und Fotografen, die sich wieder ganz bewusst für das Fotografieren auf Film entscheiden. Für mich ist die Mamiya RB67 Pro SD das Herzstück dieser analogen Leidenschaft. In diesem Beitrag möchte ich erklären, warum mich diese Kamera so begeistert, welche Besonderheiten sie mitbringt und warum analoge Fotografie mit ihr für mich mehr ist als nur ein Hobby – es ist eine Form von Meditation, Kreativität und bewusster Zeitreise.
Ein kurzer Blick auf die Mamiya RB67 Pro SD
Die Mamiya RB67 Pro SD ist ein Mittelformat-Kamerasystem, das erstmals 1970 eingeführt und mit der Pro SD-Version in den 1990ern perfektioniert wurde. Sie wurde vor allem für professionelle Studiofotografie entwickelt, findet aber auch „on location“, draußen in der Natur, im urbanen Raum oder sogar im Alltag eine begeisterte Fangemeinde. Die Kamera nutzt 120er oder 220er Rollfilm und produziert die ikonischen 6×7 cm Negative, die für ihre enorme Detailtiefe und den einzigartigen Look bekannt sind.
Bereits das Design ist beeindruckend: Eine massive, kantige Kamera, die förmlich nach Handarbeit schreit. Sie ist vollständig mechanisch, benötigt keine Batterien (abgesehen vom Belichtungsmesser im Prismensucher, sofern genutzt), und ist so gebaut, dass sie Jahrzehnte überdauert. Ihr modularer Aufbau – Wechselobjektive, austauschbare Filmrückteile und Suchersysteme – macht sie extrem flexibel. Die RB im Namen steht für „Rotating Back“, das bedeutet: Man kann das Filmrückteil drehen und so ganz einfach zwischen Hoch- und Querformat wechseln, ohne die Kamera selbst zu bewegen. Allein das ist ein Feature, das viele moderne Digitalkameras bis heute nicht bieten.
Die bewusste Entschleunigung
Einer der Hauptgründe, warum ich so gerne mit der Mamiya RB67 Pro SD fotografiere, ist die absolute Entschleunigung, die sie erfordert und ermöglicht. In einer Welt, in der es oft um Schnelligkeit, Effizienz und Masse geht, zwingt mich diese Kamera, innezuhalten und wirklich nachzudenken, bevor ich auf den Auslöser drücke.
Jeder Schritt ist Handarbeit: Film einlegen, das Rückteil schließen, Objektiv aufziehen, den Fokus präzise mit der Mattscheibe kontrollieren, Bildausschnitt wählen, eventuell den Belichtungsmesser zu Rate ziehen, Verschluss spannen, Spiegel hochklappen – und erst dann auslösen. Jeder Fehler, jede Unachtsamkeit wird sofort bestraft. Man bekommt nur zehn Aufnahmen pro Filmrolle – das verändert den Blick auf die Fotografie grundlegend. Plötzlich zählt jedes Bild.
Das entschleunigt nicht nur, sondern sorgt auch dafür, dass ich mich intensiv mit meinem Motiv, dem Licht und dem Bildaufbau beschäftige. Ich lerne, geduldiger und aufmerksamer zu werden, sehe Details, die mir sonst entgehen würden, und komme mit Menschen ins Gespräch, weil sie neugierig werden, was ich da eigentlich tue.
Die Bildqualität: Unvergleichlich
Die 6×7 cm großen Negative der Mamiya RB67 liefern eine Bildqualität, die ihresgleichen sucht. Die Auflösung, die Tonwertabstufungen, der Spielraum in der Nachbearbeitung und das berühmte „3D-Pop“-Gefühl – all das ist mit Kleinbildfilm oder digitalen Sensoren in der Regel nicht zu erreichen. Die Mamiya-Objektive, insbesondere das legendäre Sekor 110mm f/2.8 oder das 90mm f/3.8, sind gestochen scharf und zeichnen wunderbar weich aus.
Viele Bilder, die ich mit dieser Kamera gemacht habe, erinnern mich mehr an Gemälde als an klassische Fotografien. Hauttöne wirken natürlich, Schatten und Lichter verlaufen harmonisch, und das Bokeh ist angenehm cremig. Selbst wenn man die Negative digitalisiert, bleibt dieser besondere Look erhalten – und analog, im Dunkelraum auf Barytpapier abgezogen, entfalten die Bilder ihre volle Magie.
Die Kamera motiviert mich, nach dem bestmöglichen Licht und Motiv zu suchen, weil ich weiß, dass sie das Potenzial hat, ausgezeichnete Ergebnisse zu liefern. Viele meiner liebsten Portraits und Landschaftsaufnahmen sind mit der RB67 entstanden – jedes Mal war ich überwältigt von dem, was auf dem fertigen Negativ sichtbar wurde.
Das Arbeiten mit dem Lichtschachtsucher
Ein besonderes Erlebnis beim Fotografieren mit der RB67 ist der Lichtschachtsucher. Durch das große, helle Sucherbild sieht man die Welt „auf dem Kopf“, und das zwingt dazu, den Bildaufbau noch einmal völlig neu zu denken. Linien, Formen und Flächen werden plötzlich wichtiger als vorher, weil man sie im Sucher in einer Art abstrakten Darstellung sieht. Das hat meine Fotografie enorm geprägt.
Die ruhige, meditative Erfahrung, mit beiden Händen an der Kamera zu sitzen und mit der Fokussierlupe ins Bild einzutauchen, ist für mich wie eine kleine Flucht aus dem Alltag. Jeder, der einmal durch den Sucher einer RB67 geschaut hat, weiß, wovon ich spreche: Das Bild ist so groß und plastisch, dass man fast hineinklettern möchte.
Das Gewicht und die Haptik: Kein Nachteil, sondern Charakter
Die Mamiya RB67 ist schwer. Mit Objektiv, Magazin und Sucher bringt sie gut und gerne 2,5 bis 3 Kilogramm auf die Waage. Viele sehen das als Nachteil – ich sehe es als Vorteil. Dieses Gewicht vermittelt mir das Gefühl von Wertigkeit und Ernsthaftigkeit. Die Kamera zwingt mich dazu, über meine Motive nachzudenken, weil man sie nicht mal eben „nebenbei“ benutzt. Sie verlangt nach Aufmerksamkeit, sie ist kein „Schnappschussgerät“.
Ich liebe es, wie sich die Einstellräder und Hebel anfühlen, wie das metallene Klicken beim Spannen des Verschlusses klingt und wie sich der Spiegelschlag beim Auslösen anfühlt. Jeder Arbeitsschritt ist greifbar, und das macht die Fotografie zu einem echten Handwerk.
Das Feedback und die Reaktionen
Mit der Mamiya RB67 unterwegs zu sein bedeutet auch, immer wieder auf Menschen zu treffen, die neugierig sind, was das für eine Kamera ist. Viele ältere Fotografen erkennen sie sofort und beginnen, von eigenen Erfahrungen zu erzählen. Jüngere fragen erstaunt, warum ich „so eine große Kamera“ benutze, und ob das denn überhaupt noch zeitgemäß sei.
Diese Begegnungen sind für mich Teil des Abenteuers. Ich genieße es, zu erklären, wie Filmfotografie funktioniert, was ein Negativ ist und warum ich trotz aller Möglichkeiten der digitalen Welt den analogen Weg wähle. Es ist schön, Begeisterung zu teilen und manchmal andere zu inspirieren, selbst einmal Film auszuprobieren.
Die Mamiya RB67 als kreativer Begleiter
Was ich an der RB67 besonders schätze, ist ihre Vielseitigkeit. Ich kann mit verschiedenen Filmtypen experimentieren, ob Farbnegativ, Schwarzweiß oder sogar Diafilm. Wechselobjektive eröffnen mir neue Perspektiven, und mit den verschiedenen Rückteilen kann ich sogar Polaroidfilme (mit passenden Adaptern) nutzen.
Die Kamera verzeiht keine Fehler, aber genau das macht sie für mich zum besten Lehrer. Ich werde gezwungen, mich mit Fotografie im Kern auseinanderzusetzen – Blende, Zeit, ISO, Licht, Komposition. Die Ergebnisse sind nicht sofort sichtbar, ich muss Geduld aufbringen, bis der Film entwickelt ist. Diese Verzögerung steigert aber die Vorfreude und lässt jedes fertige Bild umso kostbarer erscheinen.
Analog unterwegs: Mehr als Nostalgie
Warum fotografiere ich analog, wenn digitale Kameras heute so bequem, schnell und günstig sind? Für mich ist es nicht nur die Nostalgie. Es ist das Gefühl, etwas Echtes zu erschaffen, etwas, das bleibt. Ein Negativ kann ich anfassen, ins Archiv legen, nach Jahrzehnten wieder hervorholen. Es ist unabhängig von Software, Speicherkarten oder Cloud-Diensten.
Außerdem gibt es eine gewisse Demut gegenüber dem Medium. Der Film kostet Geld, jede Aufnahme ist wertvoll. Ich verschwende keine Bilder, sondern versuche, immer mein Bestes zu geben. Dieses bewusste Arbeiten verändert meinen Blick auf die Welt und macht aus der Fotografie ein Abenteuer.
Die Mamiya RB67 Pro SD – Eine Kamera fürs Leben
Am Ende bleibt für mich die Erkenntnis: Die Mamiya RB67 Pro SD ist mehr als eine Kamera. Sie ist ein Begleiter, eine Inspirationsquelle, ein Stück Geschichte. Sie verbindet Vergangenheit und Gegenwart, bringt mich dazu, genauer hinzusehen, innezuhalten und das Besondere im Alltäglichen zu entdecken.
Wer sich auf die analoge Fotografie mit der Mamiya RB67 einlässt, wird mit Bildern belohnt, die eine ganz eigene Magie haben. Sie fordert, sie begeistert, sie lehrt Geduld und Achtsamkeit – und sie macht einfach Freude.
Das Fotografieren mit der Mamiya RB67 Pro SD ist für mich jedes Mal aufs Neue eine Reise zu mir selbst, zu meinen Motiven und zur Essenz der Fotografie. Ich möchte diese Erfahrung nicht mehr missen und kann jedem, der den Zauber der analogen Fotografie spüren möchte, nur empfehlen: Probiert es aus – am besten mit einer Kamera, die Geschichte geschrieben hat