
Es gibt Tage, die sich durch ihre ganz eigene Stimmung ins Gedächtnis einbrennen, nicht wegen Spektakel, sondern wegen stiller Eindrücke. Das Schleppertreffen in Königswinter war für mich genau so ein Tag: voller mechanischem Charme, entschleunigtem Arbeiten und analoger Fotografie – ganz ohne Hektik und Pixelrauschen.
Der Tag beginnt: Ankunft zwischen Diesel und Dorfidylle
Schon auf dem Weg nach Königswinter, einem malerischen Ort am Fuße des Siebengebirges, konnte ich die Vorfreude kaum verbergen. Die Straßen wurden enger, die Geräusche ländlicher. In der Ferne hörte ich bereits das sonore Brummen von Dieselmotoren und ahnte, dass ich bald am Treffpunkt sein würde.
Auf einer großen, sonnenbeschienenen Wiese hatten sich an diesem Tag mindestens 40 Traktoren eingefunden – liebevoll restauriert, einige mit jahrzehntealten Lackierungen und anderen, deren Patina Geschichten von Feldarbeit, Ernte und Familiengeschichte erzählte. Von Lanz Bulldog über Hanomag, Deutz, Fendt bis zu exotischeren Modellen reichte das Spektrum. Die Besitzer und Besucher tauschten Anekdoten aus, fachsimpelten und präsentierten stolz ihre Maschinen.
Die Kamera sorgt für Aufsehen

Während sich viele Besucher mit modernen Smartphones und digitalen Spiegelreflexkameras bewaffnet auf Motivsuche machten, zog ich meine in schwarzes Leder gehüllte Mamiya RB67 aus der Tasche. Schon beim ersten Zusammensetzen der Kamera, dem Aufsetzen des Prismensuchers und dem Drehen der Filmmagazine war mir klar: Diese Kamera ist ein Statement. Groß, schwer, imposant – und in der digitalen Bilderflut fast schon ein Anachronismus.
Ich hatte zwei Rollfilme dabei, beide Ilford FP4, ein Schwarzweißfilm, der für seine feine Körnung und weichen Grauabstufungen bekannt ist. Im Mittelformat mit der RB67 entwickelt der Film eine Tiefe und einen Detailreichtum, die mich immer wieder aufs Neue begeistern. Für die Entwicklung hatte ich bereits alles vorbereitet: Der Kodak Professional TMAX Entwickler wartete zuhause, bereit für den Job.
Unbekanntes Werkzeug – für Verwirrung und Gespräche gut
Kaum hatte ich die Kamera ausgerichtet und auf dem stabilen Stativ platziert, näherten sich die ersten neugierigen Besucher. „Was ist das denn für eine Fernsehkamera?“ oder „Filmen Sie etwa? Kommt das ins Fernsehen?“ waren Fragen, die ich mehrfach an diesem Tag hörte. Für viele war die Mamiya RB67 ein völlig unbekanntes Objekt – viel zu groß für eine normale Fotokamera, viel zu retro für einen Camcorder.
Was als Missverständnis begann, entwickelte sich schnell zu sehr angenehmen Gesprächen. Ich erklärte, wie Mittelformatfotografie funktioniert, wie man einen Rollfilm einlegt, und warum ich trotz aller digitalen Möglichkeiten lieber analog arbeite. Oft waren es gerade die älteren Besucher, die nach kurzer Zeit in Erinnerungen schwelgten und von eigenen fotografischen Anfängen erzählten – sei es mit der Boxkamera des Großvaters oder der eigenen Jugend mit Agfa und Kodak. Andere waren schlicht fasziniert, dass jemand so aufwendig arbeitet, während alle anderen in Sekunden ein Dutzend Fotos knipsen.
Die Kamera wurde so nicht nur zum Werkzeug, sondern auch zum Eisbrecher. Es entstanden viele nette Kontakte, fachliche Gespräche über Fotografie, aber auch kleine, amüsante Anekdoten über die Traktoren selbst.

Motive zwischen Technik und Mensch
Das Schleppertreffen bot zahlreiche Motive: Die knalligen Farben der Traktoren kamen auf dem Schwarzweißfilm ganz anders zur Geltung. Formen und Strukturen rückten in den Vordergrund – das rauhe Metall, die abgenutzten Lenkräder, die funkelnden Messingplatten mit Typenbezeichnungen, die groben Reifenprofile im trockenen Gras.
Zwischendurch fotografierte ich auch immer wieder die Menschen selbst: Besitzer, die liebevoll ihre Motoren polierten, Kinder, die mit großen Augen und verschmierten Händen an den Maschinen standen, Besuchergruppen, die über die Details diskutierten. Es war eine Zeitreise – und die Entschleunigung des analogen Arbeitens passte perfekt zur Atmosphäre.
Mit der Mamiya RB67 zu fotografieren ist alles andere als schnell. Jeder Schuss will überlegt sein: Motiv finden, Fokus einstellen, Blende wählen, Verschlusszeit checken, Film spannen, Abdrücken – und dann? Kein Bild zur Kontrolle, kein Display, kein Histogramm. Die Spannung bleibt. Erst in der Dunkelkammer wird sich zeigen, was gelungen ist.
Die Entwicklung: Der Moment der Wahrheit

Zuhause angekommen, wartete der nächste entschleunigte Schritt: Die Filmentwicklung. Ich hatte mich für den Kodak Professional TMAX Entwickler entschieden, ein Klassiker, der dem FP4 einen schönen Kontrast und eine angenehme Tonwertabstufung verleiht.
Die Entwicklung erfolgte per Kippentwicklung – der klassische Prozess: Entwickler einfüllen, kippen, Pause, wieder kippen, Zeit stoppen, Fixierer drauf, Wässern. Alles wie vor 50 Jahren. Es ist eine fast meditative Tätigkeit, die den ganzen Stress und die Hektik der digitalen Welt draußen lässt. Das Wissen, dass jeder Handgriff zählt und dass jede Entscheidung in Chemie und Zeit Einfluss auf das Ergebnis hat, macht die analoge Fotografie so besonders.
Nach dem Trocknen der Filme dann der spannende Moment: Die Negative betrachten. Die Motive, die ich tagsüber mit viel Bedacht eingefangen hatte, zeigten nun ihre Wirkung. Der Ilford FP4 im Mittelformat offenbart einen Detailreichtum und eine Feinheit, die digital kaum zu erreichen ist.
Die Digitalisierung: Moderne trifft auf Tradition
Auch der letzte Schritt meines Workflows ist ein Mix aus Tradition und Moderne: Um die Negative für weitere Bearbeitung und Archivierung zu digitalisieren, habe ich mir einen eigenen Reproständer gebaut. Über einer leistungsstarken LED-Platte platziere ich das Negativ, darüber meine Canon 5DS R mit dem Canon EF 100mm f/2.8L Macro IS USM – eine perfekte Kombination für hochauflösende, scharfe Repros.
Das Digitalisieren selbst ist zwar technisch anspruchsvoll, aber ebenfalls entschleunigt. Jedes Bild wird einzeln positioniert, belichtet, fotografiert. Im Gegensatz zum schnellen Scannen oder Durchziehen durch automatische Maschinen habe ich so die volle Kontrolle über den Prozess – und kann kleine Staubkörner, Kratzer oder Unregelmäßigkeiten direkt erkennen und korrigieren.

Ein Tag voller Entschleunigung und Geschichten
Rückblickend war das Schleppertreffen in Königswinter für mich weit mehr als nur ein fotografischer Ausflug. Es war ein Tag, an dem Technik, Mensch und Fotografie auf einzigartige Weise zusammenkamen. Die analoge Arbeitsweise mit der Mamiya RB67 zwang mich, bewusster zu fotografieren, jedes Bild zu durchdenken und nicht einfach drauflos zu knipsen.
Die Kamera selbst wurde zum Gesprächsthema, zum Brückenbauer zwischen den Generationen und zwischen verschiedenen Technikwelten. Die anschließende Filmentwicklung und Digitalisierung machten den Tag zu einem runden Erlebnis, das nicht nur schöne Bilder, sondern auch viele Erinnerungen und nette Begegnungen hinterließ.
Es war ein Tag, der einmal mehr gezeigt hat: Gute Fotografie braucht Zeit, Leidenschaft – und manchmal ein wenig Mut zur Langsamkeit. Die Mischung aus alter Technik, modernen Digitalisierungsmöglichkeiten und dem persönlichen Austausch macht solche Momente besonders. Ich freue mich schon auf das nächste analoge Abenteuer.