
Es gibt in der Welt der klassischen Automobile nur wenige Fahrzeuge, die so sehr den Geist des britischen Sportwagenbaus verkörpern wie der Healey Silverstone. Seine Linien sind kompromisslos, seine Technik ist pur und authentisch, seine Geschichte voller Abenteuer und Motorsport. Ein solches Fahrzeug zu fotografieren ist immer eine besondere Herausforderung – vor allem dann, wenn man sich vornimmt, nicht nur ein Bild, sondern ein Erlebnis einzufangen.
Für dieses Shooting hatte ich eine ganz klare Vorstellung: Ich wollte nicht einfach den Wagen als Ganzes ablichten, sondern jedes Detail, jede Kontur, jede Nuance des Silbers und der Chromteile ins beste Licht rücken. Die Idee: Den Wagen mit vielen Einzelblitzen zu „malen“ und dadurch ein Bild zu erschaffen, das im Studio so nicht mit einem einzigen Lichtsetup möglich gewesen wäre.
Das Setting: Vorbereitung ist alles
Zuerst stand die Auswahl der Ausrüstung an. Meine Wahl fiel auf die Canon 5Dsr – eine Kamera, die mit ihrer hohen Auflösung und dem ausgezeichneten Dynamikumfang ideal für die Aufnahme feinster Strukturen und Details ist. Besonders bei Oldtimern, bei denen es auf jeden Kratzer, jede Spiegelung und jede Kurve ankommt, zahlt sich das aus.
Als Objektiv habe ich das 70-200mm L gewählt. Es ist nicht nur scharf und kontrastreich, sondern auch flexibel genug, um sowohl das Gesamtbild als auch spannende Details herauszuarbeiten. Zudem ermöglicht es eine angenehme Distanz zum Objekt, was bei einem wertvollen Klassiker nie verkehrt ist.
Die Kamera selbst wurde auf einem stabilen Stativ montiert – absolute Voraussetzung für ein solches Shooting, denn die Einzelaufnahmen müssen später perfekt übereinander passen. Schon ein kleiner Wackler könnte das Ergebnis ruinieren.
Die Technik: 80 Einzelblitze für ein Bild

Der spannendste Teil des Shootings war sicherlich das Ausleuchten des Fahrzeugs. Anstatt das Auto einfach mit einer großen Softbox oder Dauerlicht komplett zu beleuchten, habe ich mich für eine aufwändigere, aber deutlich flexiblere Methode entschieden: Das „Light Painting“ mit Blitzlicht.
Konkret bedeutete das, dass ich das gesamte Auto in rund 80 Einzelaufnahmen Stück für Stück ausgeleuchtet habe. Bei jeder Aufnahme wurde nur ein bestimmter Bereich des Fahrzeugs geblitzt – mal das Radhaus, mal die Motorhaube, mal das Lenkrad, mal das Logo. Der Vorteil dieser Methode: Ich konnte gezielt steuern, wie viel Licht welcher Bereich bekommt, konnte Reflexionen minimieren oder gezielt einsetzen und hatte die volle Kontrolle über das finale Lichtbild.
Um den Ablauf so effizient wie möglich zu gestalten, habe ich die Kamera über ein Tethered Shoot direkt mit Lightroom verbunden. Das hatte gleich mehrere Vorteile: Ich konnte jede Aufnahme sofort am großen Bildschirm kontrollieren, kleine Fehler oder Lichtprobleme direkt erkennen und vermeiden, und ich musste keine Speicherkarten wechseln oder Bilder umständlich importieren. Jede Änderung am Blitz, jede neue Perspektive war sofort sichtbar – ein unschätzbarer Vorteil bei so vielen Einzelaufnahmen.
Workflow und Praxis: Schritt für Schritt zum perfekten Foto
Das Shooting selbst war eine Mischung aus technischer Präzision und kreativer Improvisation. Mit jedem neuen Blitz wurde das Bild ein Stück vollständiger, aber auch anspruchsvoller, denn bei jedem Schritt galt es, vorherige Belichtungen zu berücksichtigen. Wichtig war, dass die Kamera nie bewegt wurde – ein einmal gewählter Bildausschnitt musste für alle 80 Aufnahmen exakt gleich bleiben.
Die eigentliche Kunst beim Light Painting besteht darin, sich vorab genau zu überlegen, welche Bereiche wie viel Licht benötigen. Chromteile etwa reflektieren sehr stark und können schnell überstrahlen. Mattierte Lackflächen hingegen brauchen oft mehr Licht, um in der fertigen Komposition nicht unterzugehen. Besonders heikel: Die vielen Rundungen und polierten Oberflächen des Healey Silverstone. Jeder kleine Blitz verändert Reflexionen und Schatten. Hier war viel Feingefühl gefragt, um das Fahrzeug plastisch und hochwertig wirken zu lassen – ohne dass störende Blendenflecken oder harte Schatten entstehen.

In der Praxis habe ich den Blitz immer wieder neu positioniert: Mal auf Bodennähe, mal von oben, mal aus der Diagonale. Immer mit dem Ziel, bestimmte Flächen optimal zu betonen. Zwischen den Aufnahmen habe ich in Lightroom überprüft, ob alles so aussieht wie geplant – und wenn nötig, eine Aufnahme wiederholt oder nachgebessert.
Die Nachbearbeitung: Aus vielen Bildern wird eines
Nach dem Shooting wartete die eigentliche Arbeit: das Zusammenfügen der 80 Einzelbilder zu einem perfekten Ganzen. In Photoshop habe ich die Aufnahmen als Ebenen übereinandergelegt und mit Hilfe von Masken gezielt die jeweils optimal ausgeleuchteten Bereiche sichtbar gemacht. Hier zeigte sich, wie wichtig die saubere Arbeit am Set gewesen war – jede Unachtsamkeit hätte nun stundenlange Retusche bedeutet.
Ein Vorteil der Methode: Ich konnte im Nachhinein jedes Detail steuern. War ein Bereich zu hell oder zu dunkel? Ein Klick auf die entsprechende Ebene, und schon konnte ich die Belichtung anpassen. Störende Reflexionen ließen sich ausmaskieren, unerwünschte Schatten einfach entfernen. Nach und nach entstand so ein Bild, das mit klassischen Studiolicht-Setups kaum möglich gewesen wäre: Jedes Detail scharf, jede Fläche optimal ausgeleuchtet, keine störenden Reflexe, aber trotzdem eine natürliche Tiefe.
Natürlich blieb auch etwas Spielraum für kreative Akzente: So habe ich etwa den Kühlergrill besonders betont, um die aggressive Frontpartie hervorzuheben, während ich bei den Rädern das Licht so gesetzt habe, dass die Speichen plastisch und kraftvoll wirken. Die Lackierung erhielt einen subtilen Verlauf, der die Karosserie betont, ohne unnatürlich zu wirken.
Der Wagen: Ikone der britischen Automobilgeschichte
Ein paar Worte noch zum Protagonisten: Der Healey Silverstone ist mehr als nur ein Auto – er ist ein fahrbares Stück Geschichte. Entwickelt Ende der 1940er Jahre als sportlicher Roadster für Straße und Rennstrecke, verkörpert er den Pioniergeist der britischen Nachkriegszeit. Mit seinem schlanken Aluminiumkleid, dem offenen Cockpit und dem markanten „Aero“-Look ist er ein wahrer Hingucker.
Für mich als Fotograf ist ein solcher Wagen eine besondere Herausforderung – nicht zuletzt, weil er auf Bildern leicht zu „glatt“ oder künstlich wirken kann. Ziel war es, den Charakter des Silverstone einzufangen: Die feinen Gebrauchsspuren, die Patina auf dem Lederlenkrad, die spiegelnden Chromteile, die an vergangene Zeiten erinnern. Nur wenn all das zusammenkommt, entsteht ein Bild, das der Geschichte des Autos gerecht wird.
Fazit: Fotografie als Entdeckungsreise
Das Shooting des Healey Silverstone war für mich mehr als nur ein Fotoprojekt. Es war eine Reise durch Zeit und Technik, eine Mischung aus Planung, Kreativität und Improvisation. Die aufwändige Ausleuchtung mit 80 Einzelbildern hat sich gelohnt: Das finale Foto zeigt nicht nur ein Auto, sondern erzählt eine Geschichte – von Handwerkskunst, Leidenschaft und Liebe zum Detail.
Wer solche Bilder selbst umsetzen möchte, braucht vor allem Geduld und Genauigkeit – und sollte den Mut haben, neue Wege zu gehen. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen, aber das Ergebnis entschädigt für jede investierte Minute. Und vielleicht ist genau das das Schönste an der Fotografie klassischer Fahrzeuge: Man entdeckt immer wieder neue Facetten, Details und Geschichten, die sich mit jedem Klick neu erzählen lassen.